Auf meiner imaginären Bucket List stand schon länger neben dem Besteigen meines ersten 4000ers und dem Besuch eines Chili Peppers Konzerts, auch mal die Alpen zu Fuß zu überqueren. Letzteres wollte ich im September 2023 abhaken. So fing ich an, eine ca. zweiwöchige Tour über die Alpen zu planen, und entschied mich für die an den L1 (Garmisch Patenkirchen nach Brescia) angelehnte Route von Garmisch bis nach Sterzing.
Tag 1 - Vom Bahnhof Garmisch Patenkirchen zur Knorrhütte
24 km, 1980 m Aufstieg und 670 m Abstieg - das klingt nicht nur ambitioniert, sondern war auch wirklich hart! Mit einem Rucksack der mir mit etwas mehr als 20 % meines Körpergewichts noch zusetzte, wurde es auch nicht besser.
Am ersten Tag sollte es von dem Bahnhof in Garmisch Patenkirchen über das Kreuzeck und das Reintal auf die Knorrhütte gehen. Das Reintal ist hierbei absolut zu empfehlen. Auch wenn ich nach den bis dahin 15 km schon merklich am Kämpfen war, ist mir die Schönheit des Tals nicht entgangen. Man findet sich in einer von Kalkwänden ummantelten Schlucht wieder und wird von einem glasklaren Fluss auf seinem Weg begleitet. Kurz vor dem Aufstieg zur Knorrhütte, konnte man noch die Quelle der Paternach erspähen.
Das härteste des Tages kam ganz zum Schluss. Rund 500 m Aufstieg auf einer Strecke von 2 km auf einem Geröllfeld mit über 30% Steigung. Dort ging es gegen 17 Uhr hoch - zu dem Zeitpunkt waren wir schon über 9 Stunden am Laufen. In Erinnerung geblieben ist mir auf jeden Fall eines: Irgendwann, nach 1,5 h Aufstieg auf dem letzten steilen Stück, kam ein Schild mit der Beschriftung: "1 h bis zur Hütte". Die Knorrhütte hat man bis zum Ende nicht gesehen. Man konnte also gar nicht einschätzen, wohin oder wie weit man noch laufen musste. Aber, nach gut einer weiteren halben Stunde hochkriechen (und das war es mittlerweile bei mir) kam ein Schild auf dem erneut stand: "1 h bis zur Knorrhütte". Mit der ein oder anderen verdrückten Träne und der Angst, es vielleicht doch nicht mehr vor Anbruch der Dunkelheit zur Hütte zu schaffen, ging es weiter.
Nach nun wirklich einer weiteren Stunde, bin ich über den letzten Steinwall geklettert und plötzlich hat sich vor mir die große Knorrhütte eröffnet! Ich kann nicht beschreiben, wir erleichtert ich in diesem Moment war.
Tag 2 - Von der Knorrhütte zur Coburger Hütte
Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um 6 Uhr. Mit etwas schweren Beinen und der Müdigkeit ins Gesicht geschrieben, haben wir uns draußen vor der Hütte unser Frühstück zubereitet. Haferflocken und ein Käffchen waren der tägliche Start in den Tag.
Nach einem wunderschönen Sonnenaufgang ging es gegen halb 8 wieder "auf die Piste" - Richtung Deutsch-Österreichische Grenze: dem Gatterl. Dahinter ging es erstmal einen Pass herab und anschließend durch den Wald wieder gemäßigt aufwärts. Gegen Kilometer 11 kamen wir an dem wunderschönen Seebensee vorbei. Ein natürlicher von Bergen umgebener Bergsee. Dort haben wir gerastet und uns ein Mittagessen gekocht, um für den letzten Aufstieg auf Kilometer 12 gewappnet zu sein. Immerhin konnte man schon von vornherein sehen, worauf man sich einlässt, denn die Hütte war vor dem Aufstieg ersichtlich. Nach einer weiteren halben Stunde waren wir gegen 16 Uhr an der Coburger Hütte.
Die Coburger Hütte liegt direkt neben dem Drachensee, ein anderer wunderschöner, natürlicher Bergsee, bei dem ich es mir nicht nehmen konnte, einmal reinzuspringen. Gut kalt, aber sehr erfrischend!
Auf der Hütte kann ich besonderes die Spinatknödel empfehlen, sie wurden mir schon am Vortag angepriesen und waren genauso gut, wie erhofft.
Tag 3 - Von der Coburger Hütte nach Rietz
Da am nächsten Tag gegen 14 Uhr ein Gewitter vorhergesagt wurde, wollten wir zu dieser Uhrzeit schon die ersten 12 km bis in Tal geschafft haben. Über der Baumgrenze (ca. 1800 m) in einer Scharte in ein Gewitter zu geraten, ist schließlich nur bedingt zu empfehlen. Demnach klingelte der Wecker an diesem Tag schon eine halbe Stunde früher als am Tag zuvor und gegen halb sieben machten wir uns auf den Weg.
Der heutige Wanderweg führte über ein Geröllfeld und mündete in die Grünsteinscharte. Der höchste Punkt der heutigen Wanderung war auf 2700 m. Auch wenn der Ziehweg zur Scharte relativ schmal am Abgrund verlief, wurde man mit dem Ausblick ins Tal auf beiden Seiten großzügig belohnt. Im Anschluss ging es das Geröllfeld wieder auf der anderen Seite herunter. Hier war ich sehr glücklich über meine Trekkingstöcker, die mir das ein oder andere Ziehen in den Knien erspart oder zumindest gemindert haben. Das Herumrutschen auf dem Geröllweg rief mir Skifahr-Assoziationen in den Kopf.
Nach guten 1000 m Abstieg auf dem Geröllfeld, kam man auf einen von Bäumen umgebenen Forstweg. Zu diesem Zeitpunkt war es ca. 12 Uhr und wir waren vor dem Unwetter in Sicherheit. Nach ein paar Kilometern in der mit Wald und Flüssen durchzogenen Landschaft, habe ich im Tal den Bus zum Hotel in Rietz genommen. Meine Wanderkumpanen sind die zusätzlichen 12 km durchs Tal noch gelaufen und kamen somit auf schlappe 23 km an diesem Tag. Ich wollte einfach nur schlafen und war glücklich über meine Entscheidung.
Tag 4 und 5 - Von St. Siegmund im Sellrain zur Pforzheimer Hütte und nach Lüsens
Leider mussten wir aufgrund von Wetter eine Etappe überspringen. Demnach sind wir am darauffolgenden Tag mit Zug und Bus ins darauffolgende Tal, St. Siegmund im Sellrain, gefahren, um dann zur Pforzheimer Hütte aufzusteigen. Hier erwartete uns ein anderes Gestein als in den Pässen zuvor, nämlich ein Gneis-Granit-Gemisch anstatt brüchigem Kalk. Und welche Auswirkungen hatte das auf die Natur? Es ist alles wesentlich grüner und erinnert eher an eine Highlands Landschaft als an die Alpen. Wirklich wunderschön! Umgeben von Heidelbeersträuchern sind wir gegen 13 Uhr auf der Hütte angekommen, haben uns ein Mittagessen gekocht. Für den restlichen Tag war eine Tour auf den nahegelegenen Sammerschlag-Gipfel (2800 m) geplant.
Am nächsten Tag sind wir über eine Scharte (2700 m) nach Lüsens (ca. 1500 m) abgestiegen. Bei dem schönen Wetter haben wir uns das ein oder andere Päus'chen auf den Wiesen gegönnt und kamen um 15 Uhr im Alpgasthof Lüsens an
Tag 7 und 8 - zur Sulzenauer Hütte und zur Nürnberger Hütte
Nach Lüsens haben wir zwei Tage pausiert, um Füßen und enstandenen Blasen ein bisschen Raum zum Heilen zu geben. Anschließend sind wir mit dem Bus in das Stubaier Tal zum Zustieg zu Sulzenauer Hütte gefahren. Der Zustieg ist von der Bushaltestelle relativ kurz und nach etwas mehr als 2 Stunden Aufstieg, war die Etappe auch schon geschafft. Nachdem wir uns bei einem heißen Tee aufgewärmt haben, erkundeten wir am Nachmittag noch den nahegelegen Gletscher.. oder das was noch von ihm übrig ist. Dass der See, vor dem wir standen, vor gut 15 Jahren noch nicht existierte, ließ mich schaudern.
Auch die Etappe am nächsten Tag zur Nürnberger Hütte war mit 3 Stunden schnell mit dem Fußbus abgefahren. Der Weg führt über ein sehr schönes Hochplateau mit einem ausgesprochen blauen See umgeben von Gletscherausläufen. Wirklich ein Traum. Auch war auf einigen Passagen Trittsicherheit mit Stahlseilen gefordert.
Tag 9 - Wilder Freiger 3418 m
Einen 3000er muss man schon mitnehmen oder? Zumindest war das meine Meinung, von der ich meinen Wanderpartner irgendwann auch überzeugen konnte. Wir blieben also eine Nacht länger auf der Nürnberger Hütte und machten uns am nächsten Morgen auf den Weg, um neue Höhen zu erklimmen. Die ersten 2 bis 3 Stunden Aufstieg waren relativ unspektakulär. Begleitet von schönem Wetter änderten sich die Gegebenheiten auf ca. 2800 m und die Landschaft wurde karger. Während die Hände immer mehr benutzt wurden und meine Stöcker schon eingeklappt im Rucksack verschwanden, kamen wir immer höher. Der letzte Kilometer war eine Gratwanderung mit insgesamt 3 steileren Passagen und Stahlseil sowie eine 200 m Kletterei im 3ten Grad zum Gipfel. Insgesamt sollte man auf jeden Fall sehr Trittsicher und Schwindelfrei sein sowie zur Sicherheit Grödel dabei haben, da in der Höhe schnell mal Schnee fällt. Leider sind wir, genau, als wir am Gipfel ankamen, in einer Wolkendecke verschwunden, aber die Aussicht war es allemal wert!
Tag 10 und 11 - Zur Tribulaunhütte und Abstieg nach Sterzing
An dem Tag war unsere Wanderung schon fast zu Ende und es ging nach Italien zur Tribulaunhütte. Die Etappe war mit 15 km Strecke und 1160 hm noch einmal wirklich lang, aber auch ausgesprochen schön! Wir kamen am Paradies vorbei, einer Moorlandschaft, die ihrem Namen alle Ehre macht und überwanderten die Bremer Hütte. Von dort ging es noch einmal 5 Stunden weiter zu unserem Ziel.
Die Landschaft erinnerte mich ein bisschen an Herr der Ringe und war wirklich ausgesprochen schön. Mir viel zu dem Zeitpunkt auf, dass ich die letzten 5 Tage keine Bäume mehr gesehen hatte, da wir uns permanent zwar nicht über den Wolken, aber über den Bäumen befanden. Gegen Abend zog das Wetter etwas zu und es wurde zunehmend nasser und kälter. Italien begrüßte uns also mit kaltem, nassem Regen. Zu unserer Verwunderung mussten wir festellen, dass es zwei Tribulaunhütten gibt: Eine auf der österreichischen und eine auf der italienischen Seite. Natürlich haben wir die italienische angesteuert (die wir auch eigentlich buchen wollten) aber waren angemeldet in der österreichischen... Da das Wetter so schlecht war und wir auch absolut nicht die ersten waren, denen das passiert ist, war das aber kein Problem. Die Tribulaunhütte grenzt bereits an die Dolomiten und liegt direkt an einem beeindruckenden Bergmassiv, welches wir leider aufgrund von Nebel nur erahnen konnten. Auf den Bildern in der Hütte sah es aber sehr schön aus.
Nach einem sehr leckeren Frühstück am nächsten Tag und kleinem Plausch mit der Wirtin, ging es in strömenden Regen herab Richtung Sterzing. Der Regen war so doll, dass die Wege anfingen sich zu Bächen weiterzuentwickeln. Das letzte große Abenteuer auf der Reise war das Queren eines nun reißenden Flusses. Im Tal hat uns ein Bus erst nach Sterzing und anschließend ein Zug zurück nach Deutschland gebracht.
Kurzübersicht
Übernachtet haben wir in Schutzhütten. Hier empfiehlt es sich möglichst früh (mindestens einen Monat) im Voraus die Hütten zu reservieren. Das ist in der Regel auf den Seiten des DAVs, telefonisch oder auf den eigenen Hüttenseiten möglich. Gerade die Wochenenden und die Hütten in der Nähe der Zugspitze sollten so früh wie möglich reserviert werden. Eine Übernachtung kostet zwischen 10-25 €, wenn man Mitglied im Alpenverein ist (diese lohnt sich nur aufgrund der rabattierten Übernachtungen in der Regel ab 8 Hüttenübernachtungen). Frühstück haben wir uns selber mitgenommen, hatten also keine Halbpension auf den Hütten. Abends haben wir auf den Hütten gegessen, was meistens zwischen 10-20 € gekostet hat. Insgesamt hat jeder Tag also ca. 30-45 € gekostet. Man kann auch deutlich mehr ausgeben, allerdings reise ich lieber länger und dafür günstiger.
Die Anreise war relativ unkompliziert. Mit dem Zug von Berlin nach München und dann mit dem Regio weiter nach Garmisch. Für die Rückfahrt würde ich auf jeden Fall empfehlen ein Ticket zu buchen, dass man auch wieder stornieren kann (also keinen super duper Sparpreis ohne Stornierungsmöglichkeit). Schließlich kann sich die Route schnell mal verändern, sei es wegen Wetter oder Verletzungen.
Bei der Routenplanung habe ich mich sehr an den empholenen Etappen des Rother Bergverlags (Alpenüberquerung Garmisch - Brixen) orientiert. Beim nächsten Mal würde ich manche Etappen kürzer planen, also zwischen 5 und 10 km pro Tag, um an den Nachmittagen entweder die Gegend erkunden oder auf der Hütte entspannen zu können.
Garmisch Patenkirchen - Knorrhütte - Coburger Hütte - Rietz - (Peter-Anich-Hütte) - Pforzheimer Hütte - (Franz-Senn-Hütte) - (Neue Regensburger Hütte) - Suzenauer Hütte - Nürnberger Hütte - Wilder Freiger- Nürnberger Hütte - Tribulaunhütte - Sterzing
Rucksack (35-40 l): Orthodox Traverse 40 l
Grödel: Snowlike Spikes Chainsen Pro XT L
Stöcker: Leki Makalu fx Carbon
Handtuch: Cocoon
Erste Hilfe Set
Kulturbeutel: Deuter Lightweight I
Kocher: bestehend aus Titan Kocher und Titan Topf mit Deckel
Spiritus
Wasserblase: von Meru 2 l
Feuerstahl
4x Packsäcke
Hüttenschlafsack: Sea to Summit
Handschuhe
Latschen: Reef
Wasserfilter: Greyl 750 mL
Power Bank: + Kabel
Stirnlampe
Taschenmesser
Ersatzbrille
Sportbrille: Julbo Rush UV: 0-3
Biwaksack
E-Reader
Hohe Wanderschuhe: La Sportiva Trango
Kleidung:
4x Unterhosen: Meru Funktionsunterwäsche
2x Sport BH: Wichtig! Aus Funktionsstoff oder Merino-Wolle
2x T-Shirts: Wichtig! Aus Funktionsstoff oder Merino-Wolle
Long Sleeve: Mountain Equipment
Fleece: The North Face Futurefleece Hoody
Isolationsjacke: Patagonia NanoPuff
Wind Weste: The North Face Summit
Regenjacke: Patagonia Granit
Regenhose: CMP
Lange Hose: Orthovox Piz Selva
Kurze Hose: La Sportiva Escape
Schlafanzug: Lange Unterhose und T-Shirt
3x Socken: 2x Smartwool Wandersocken,
1x Kuschelsocken für abends
Sonnenschutz: Hut oder Cap
Kulturbeutel:
Mückenschutz
Sonnencreme
Öko. Shampoo
Zahnbürste und Paste
Traubenzucker
Calcium und Magnesium
Elektrolyte
Ibu
Erste Hilfe:
Aktivkohletabletten
Wundsalbe
Blasenpflaster
Rettungsdecke
Pflaster
Desinfektion
Kompresse
Tape